Platz schaffen oder platzen

Neben den fünf Sinnen des Körpers gibt es auch die sieben Sinne der Seele. Wir Pilger üben uns in der Wahrnehmung dieser Sinne, um tiefer mit uns selbst, den Mitmenschen, der Schöpfung und dem Schöpfer in Beziehung zu treten. Ich möchte heute den ersten Sinn vorstellen: arm und leer werden.

Jeder Mensch ist eine einmalige Persönlichkeit! Das Wort Person leitet sich vom lateinischen "personare" ab und meint "hindurch tönen". Das Lied der Liebe Gottes erklingt durch die Personen hindurch in diese Welt. In diesem Sinne gleicht jeder Mensch einem Instrument, auf dem Gott das Lied der Liebe spielt. Eine Gitarre oder eine Trompete kann aber nur erklingen wenn in ihr Raum ist, um in Schwingung zu kommen. Ist die Trompete oder die Gitarre vollgestopft, passiert nichts.Das Instrument hat seine eigentliche Bestimmung verloren und bringt - wenn überhaupt - nur Krach und Lärm hervor.

Als ich in die vollgestopfte Trompete geblasen habe stand ich vor folgender Entscheidung: Entweder Platz schaffen oder platzen! Auch die größte Kraftanstrengung kann einfach nur hohl sein. Mein hochroter Kopf hat mir schließlich die Entscheidung abgenommen. Sofort war Entlastung zuspüren. Es war mir unmittelbar einsichtig, weshalb Instrumente auch immer wieder gereinigt werden müssen, damit der volle Klang hörbar und der richtige Ton getroffen wird.

Die Übertragung auf uns Menschen ist offensichtlich. Wer voll von sich selbst ist, mit seinen Terminen, Plänen, Sorgen, Ängsten und Vorstellungen, trifft nie den Ton. Das Lied der Liebe Gottes kann nicht erklingen, weil nichts in Schwingung kommen kann. Kein Wunder, dass dann in unserer Welt so viel Lärm, Erschöpfung und Unstimmigkeiten sind.

Es gilt Platz zu schaffen für die Liebe Gottes. Dann wird die Menschheit zum himmlischen Orchester, das aufeinander lauscht und stimmig miteinander musiziert.

Wenn Musiker ganz eins werden mit ihrem Instrument und das freie Improvisieren einsetzt, ist das ein wunderbares Bild für das Wirken des Heiligen Geistes. Dann kann man spüren, wie im spielerischen Musizieren sich Freiheit ereignet, weil keiner den anderen übertrumpfen muss, sondern alle über sich selbst hinauswachsen. Dann vollzieht sich das Wunder, dass sich die einzelnen Persönlichkeiten auf je einmalige Weise entfalten und gleichzeitig ein großes Ganzes entsteht, in dem sich alle zu einer stimmigen Einheit zusammen fügen. Himmlisch!

Jesus Christus ist uns diesen Weg vorausgegangen. Er war ganz leer von sich selbst. Er hat den Himmel verlassen und ist Mensch geworden, damit wir das Lied der Liebe des himmlischen Vaters hören konnten. Wer mit einstimmen möchte und sich mitreißen lassen will, ist eingeladen leer von sich selbst zu werden. „Fürchte dich nicht, du wirst dich dabei selber finden“, ruft uns Jesus ermutigend zu.

 

Euer Mitpilger Volker Krieger                                                                                                                  Foto: Doro Krieger

 

 

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