Überbrücken

Wenn sich zwischen zwei Wegen ein Hindernis auftut und sie deshalb nicht zueinander finden können, brauchen wir eine Brücke. Die verbindende Kraft einer Brücke hat deshalb etwas Faszinierendes. Sie führen über Flüsse, Gräben, Schluchten und Abgründe hinweg. Ohne eine Brücke wäre der Weg oft zu Ende und wir blieben von der Welt auf der anderen Seite getrennt.

Das gilt auch für uns Menschen. Oft genug spüren wir, dass jeder Mensch eine eigene Welt ist. Um die Welt des anderen zu betreten brauchen wir Brücken. Manchmal hilft ein Wort. Doch oft entdecken wir, dass Worte auch missverstanden werden können und Hindernisse aufbauen statt sie zu überbrücken. Es spricht eben jeder auch seine eigene Sprache.

Vielleicht führt manchmal das Schweigen weiter. Es öffnet einen weiten Raum. Aber es gibt auch die Mauern des Schweigens, die man nicht durchbrechen kann. Und wieder bleibt jeder eine Insel.

Die kürzeste Brücke zwischen zwei Menschen sei ein Lächeln, sagt ein Sprichwort. Doch gibt es auch ein falsches Lachen.

Es bleibt uns noch die Welt der Gesten, um zusammen zu kommen. Eine wunderbare Brücke von Mensch zu Mensch ist sicher der Kuss. Und weil er eine so liebevolle Brücke zu sein scheint, stellen wir mit Erschrecken fest, dass es auch den Judaskuss gibt. Keine Brücke zwischen den Menschen ist wirklich klar, transparent und eindeutig. Sie zu betreten bleibt immer ein Wagnis. Selbst wenn die Bereitschaft besteht von beiden Seiten aufeinander zu zu bauen, können wir Menschen einander verfehlen.

Als ich neulich Jesus Christus am Kreuz betrachtete, kam mir folgender Gedanke: Jesus Christus ist seinem Wesen nach die Brücke schlechthin. Er verbindet Gott und Mensch. Nicht nur weil er beide zueinander bringt, sondern weil er Gott und Mensch ist! In Ihm sind beide zuhause, in Ihm sind wir alle eins. Er ist die Brücke in Person. Die ausgestreckten Arme am Kreuz machen das deutlich. Auf der einen Seite führt er seine Geschwister an der Hand zur Brücke und auf der anderen Gott. In Ihm sind tatsächlich alle Hindernisse überwunden. Er überbrückt die Ströme des Leidens und die Flüsse der Tränen. Er überbrückt die Gräben des Unfriedens, die Schluchten des Bösen und die Abgründe des Todes. Diese Brücke ist belastbar, klar und eindeutig. Was deshalb in Christus verbunden ist, ist wirklich verbunden. Wenn die Liebe zweier Menschen in Christus verbunden ist, sind sie eins. Er ist der unendliche Raum, in dem wir wahrhaftig und ohne jede Zweideutigkeit einander begegnen können. Je näher wir zu Christus kommen, um so mehr werden wir eins mit uns selbst und miteinander! Ein Bollwerk mitten in einer vergänglichen Welt. Ich bin dankbar für diese lebendige Brücke, die alle Menschen vereinen möchte, damit aus vielen Inseln ein Leib werde.

Mit frohem Gruß

Euer Mitpilger Volker

                                                                                                                                                                                                                       Foto: Dorothea Krieger    

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