“Vom Propheten zum Narren”

Ich bin ein Prophet. Der Prophet ist mit dem Wort Gottes aufs engste verbunden. Nur in der konsequenten Grundhaltung eines hörenden Menschen, wird der Prophet seiner Sendung gerecht. Der Prophet brennt für den innersten Kern der Botschaft Gottes. Seine Gabe ist der klare Blick für die Heiligkeit Gottes und allem, was dem entgegensteht.

Sein starkes Eintreten für die Heiligkeit Gottes, macht ihn zum stärksten Feind für jede Form der Götzenverehrung. Da Götzenverehrung immer eine Form der Menschenverehrung ist, erscheint er den Menschen oft als Feind und Gegner.

Je näher er dem Götzenkult einer Gemeinschaft oder des Einzelnen kommt, um so erbitterter wird der menschliche Widerstand. Die Selbstverkrampfung des Menschen wird um so stärker, je deutlicher der Prophet die Wahrheit benennt. Der Weg des Propheten ist deshalb nie bequem, sondern immer von Anfeindungen begleitet.

Der Prophet wirkt aber vor allem nach innen. Er versteht sich erst in zweiter Linie an die Welt gesandt. Zuerst geht es ihm um die Entlarvung der frommen Götzenverehrung. Der Tanz um das goldene Kalb innerhalb der Kirche steht der Heiligkeit Gottes am stärksten im Wege.

Der Prophet hat die Aufgabe der Demontage. Er baut auf, indem er die Missstände auf seine heiligen Wurzeln zurückführen möchte. Wo Gott durch den Propheten aufbaut, sehen die Mitmenschen nur Niedergang. An der Feindschaft seiner Schwester und Brüder hat er deshalb doppelt zu leiden. Der Prophet im eigenen Lande gilt nichts. Er ist einsam, oft unverstanden, inmitten der Gemeinde allein. Wo alle “Hosianna” rufen muss er “Götzenkult” schreien. Durch das Wort Gottes, das er verkünden muss, trennt er sich von denen, die er eigentlich liebt. Und gerade so ist er für sie da. Das ist sein tiefstes Leid. In diesem Leid hat er Anteil am Leiden Gottes. Eine Solidarität auch unter Schmerzen. Die Spannung droht ihn fast zu zerreißen. Auf der einen Seite will er sich des Auftrages entledigen und gibt ihn mit Vorwürfen an Gott zurück. Auf der anderen Seite treibt ihn sein Eintreten für Gottes Heiligkeit um so mehr in die Arme seines Schöpfers.

Der Prophet ist immer auch eine tragische Gestalt. Leben kann er diese Sendung nur, wenn die eigene Person ganz hinter das Wort Gottes zurücktritt. Dann lebt Christus diese Spannung in ihm. In dem Moment, wo er aus eigener Kraft zu handeln beginnt, stehen seine Sendung und seine Existenz auf dem Spiel. Als Prophet ist er Platzhalter für Gottes Wort. Die Freude des Propheten ist sein Gott, seine Ehre ist sein Dienst. Möglich, dass sein letzter Dienst für die Gemeinschaft darin besteht, dass er sie verlässt. Er trennt sich dabei aber nur vom System, nicht von den Menschen. Glaubhaft kann dieser Weg aber nur sein, wenn er die gelebte Bereitschaft ist, sich von Gott wandeln zu lassen.

2002 habe ich diesen Text geschrieben. Jetzt ist es so weit. Zum 31.12. habe ich bei der Diözese Würzburg gekündigt. Gott hat den Propheten in die Rente geschickt. Die Zeit des Kämpfens ist vorbei. Neues will geboren werden, Wandlung will wieder geschehen.

Es ist die Wandlung zum liebevollen Narren, der einfach da ist, zuhört und seine Lebenszeit verschenkt. Das Früchtchen ist reif. Auf Dein Wort hin, Herr, fange ich an. Und jeden Tag mehr spüre ich Frieden und Leben. Dafür bin ich unendlich dankbar!

 

Euer Mitpilger Volker                                                                                       Foto: Eva Krieger

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