“Was ist genug?”

Lange Zeit haben wir Menschen das Wachstum angebetet und uns davon Lösungen für die Zukunft erhofft. Parallel dazu war Fortschritt vor allem technische Weiterentwicklung. Damit einher geht ein fast unersättlicher Energiehunger. Der lange Schatten dieser Irrlichter sind Umweltzerstörung, die Aufteilung der Menschheit in Gewinner und Verlierer und der langsam spürbare Rohstoffmangel.

In diesen Tagen machen auch reiche Gesellschaften die Erfahrung, dass im Supermarkt leere Regale zu finden sind. Es ist nicht mehr alles zu jeder Zeit verfügbar. Wer einen Handwerker sucht braucht Geduld, und nicht jedes Material steht sofort parat. Auch beim Häuslebauer kommt im Geldbeutel langsam an, welchen Preis wir zahlen müssen, wenn wir weiter auf unbegrenztes Wachstum und technischen Fortschritt setzen. Corona und der entsetzliche Krieg haben diese Entwicklung nur beschleunigt und sichtbar gemacht. Die Energie wird knapp. Alle Ressourcen auf Erden sind endlich. Diese Erkenntnis fliegt uns gerade um die Ohren.

Der Mensch sollte wieder darüber nachdenken, in welche Richtung Wachstum und Fortschritt gehen müsste. Was hilft uns, mehr Mensch zu werden wäre eine gute Frage. Was brauchen wir wirklich, um glücklich zu sein? Das ist die Frage nach dem guten Leben. In der Antike war das der Mittelpunkt der Philosophie. Die Philosophie aber war Königsdisziplin des Denkens.

Aristoteles war der Überzeugung, dass Maß und Mitte das Fundament für das Glück bilden würden.  Weder Übermaß noch Mangel führen zu einem erfüllten Leben. Es gibt ein Zuviel und ein Zuwenig. Sowohl die Übersättigung als auch der Hunger sind auf Dauer ungesund für Leib und Seele. Sich in der Mitte einzuloten bringt dem Menschen Frieden und Freiheit.

In dieser Richtung liegt der Sinn des Fastens. Fasten meint zuerst nicht den Verzicht oder irgendeine Einschränkung, sondern bedeutet Raum zu schaffen für das wirklich Notwendige. Es ist die Konzentration auf das Wesentliche, die Bündelung all meiner Kräfte in Richtung auf ein Ziel hin. Biblisch wäre das das Reich Gottes.

Die Mitte, von der Aristoteles spricht, ist für uns Christen Jesus, der Mittler. In ihm gehen alle Sehnsüchte auf. Und weil sich dieser Gott in der Schöpfung offenbart und in Jesus Mensch geworden ist, ist das Maßhalten der rechte Umgang gegenüber der Schöpfung und dem Mitmenschen. Jede Form der Anmaßung oder gar der Ausbeutung bedeutet die erneute Kreuzigung Jesu. Fasten aber wird  zur liebevollen Achtsamkeit. Dann gönnen wir dem anderen seinen Anteil mit großer Freude und die Seele spiegelt sich in der Seele meines Nächsten. Gottes Antlitz blitzt auf und schenkt das Licht für den weiteren Weg. In dieser Richtung liegt mein Fortschritt und mein Wachstum, um mehr Mensch zu werden. Dann bin ich nicht mehr der Sklave künstlicher Bedürfnisse und unterwegs mit leichtem Gepäck. Kommt mit, mit frohem Mut.

Euer Mitpilger                                                                                              Foto: Roland Oberreuter

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