“Wir sind nur Gast auf Erden”

Liebe Mitpilger,

„wir sind nur Gast auf Erden“ tönt es noch heute bei so mancher Beerdigung aus rauen Kehlen. Doch wenn sich diese Erkenntnis erst auf dem Friedhof Bahn bricht, ist das etwas spät. Ich glaube, dass die ganze Schöpfung davon profitieren würde, wenn diese Wahrheit etwas eher in das Bewusstsein des homo sapiens einsickern würde. Wir sind nur Gast! Und als Gäste haben wir auch Benimmregeln zu beachten. Sonst hinterlassen wir verbrannte Erde, einen Friedhof.

Der wunderbare blaue Planet ist unser Gasthaus. Die Erde beherbergt uns. Ihr gebührt unser Respekt und unsere Dankbarkeit. Gehen diese Grundhaltungen verloren, haben wir unsere Beziehungsfähigkeit eingebüßt. Dann vergessen wir unsere Pflichten und denken nur an unsere Rechte und Bedürfnisse. So stirbt der Gedanke der Nachhaltigkeit, und kommende Generationen verlieren wir aus dem Blick.

Es wird Zeit, dass die Krönung der Schöpfung sich besinnt. Das beginnt damit, dass sie ihre Krone abgibt, denn in der Bibel ist davon nie die Rede gewesen. Dieser Unsinn war eine späte Geburt der Überheblichkeit und einer falsch verstandenen Gottebenbildlichkeit. Dieser unselige Gedanke ist eine Erbschuld der Theologen und der Kirche; eine Tragödie.

„Bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen“, so lesen wir in Gen 1, 28. Doch jede Übersetzung des hebräischen Textes ist immer auch dem menschlichen Selbstverständnis geschuldet. Im Hebräischen steht nämlich nichts von „unterwerfen“. Der bekannte Alttestamentler E. Zenger macht darauf aufmerksam, dass das hebräische Wort „betreten“ meint. Eigentlich wird der Mensch von Gott eingeladen das Gasthaus „Erde“ zu betreten und als Haus des Lebens zu schützen. Damit übernimmt er Verantwortung für dieses Gasthaus zum Wohle aller Gäste; und das meint alle anderen Lebewesen. Es ist deshalb auch nicht von „herrschen“ die Rede. Vielmehr wäre die rechte Übersetzung „leiten“, „lenken“ und „Verantwortung übernehmen“.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die erste Benimmregel für Gäste, die wir bei Knigge nachlesen können: dem Gastgeber ein Geschenk mitbringen. Ein totaler Perspektivenwechsel! Das größte Geschenk, das wir unserem Gott als Gastgeber mitbringen könnten, wäre ein Herz für alle anderen Gäste. Wie anders wäre der Umgang miteinander und zu unseren Mitgeschöpfen. Eine Krone auf dem Kopf wäre da nur hinderlich. Ein göttlicher Klimawandel.

 

Mit frohem Gruß Euer Mitpilger                                                    Foto: Volker Krieger

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