“Wissen und Weisheit”

Die Welt hat ein unglaubliches Wissen angehäuft. Es ist erstaunlich, in welche Bereiche der Mensch vorgedrungen ist und welche Unmengen an Fakten, Daten und Informationen er angesammelt hat. Der Mensch ist noch immer der Jäger und Sammler aus der Vorzeit. Sein Hunger bezieht sich im Zeitalter der Digitalisierung vor allem auf Daten. Hat es zu anderen Zeiten noch geheißen, Wissen ist Macht, so gilt das heute für die Daten.

Ein Wort, das in allen Hochkulturen der Menschen einen festen Platz hatte, ist dabei fast ganz verschwunden: Weisheit. Und tatsächlich frage ich mich oft, wo sie geblieben ist. Weiser ist die Menschheit nicht geworden. Woran liegt das? Und worin liegt der Unterschied zwischen Weisheit und Wissen?

Weisheit ist immer mit Werten verbunden. Man wird weise, indem man diese Werte lebt, bis sie in Fleisch und Blut übergegangen und zu einer Grundhaltung geworden sind. Lebenspraxis und Weisheit sind nicht voneinander zu trennen.

Wissen ist oft abgekoppelt von Werten. Dieses Wissen ist dann im echten Wortsinn wertlos und hat keinen Wert. Man kann es getrost vergessen. Es hat keine Prägekraft für meine Lebensgestaltung. Deshalb kann ich auch mit ruhigem Gewissen einen Lebensstil pflegen, der meinem Wissen total widerspricht. Umweltzerstörung, Klimaerwärmung, Umgang mit Energie und die Armut in der Welt offenbaren die Spaltung zwischen Wissen und Handeln. Dieses Wissen ist Ich-bezogen und führt zur Verdummung. Deshalb ist Dummheit manchmal kein intellektuelles Problem, sondern ein soziales. Weisheit ist Du-bezogen und handelt mit Blick auf den anderen. Doch die Welt ist voll Ichbezogenheit und diesem hohlen Wissen.

Aber ich muss gestehen, dass es trotzdem zu etwas nützlich sein kann. Man kann Menschen ohne Weisheit damit beeindrucken und Macht ausüben, um sie zu beherrschen. Dann ist es mit der Weisheit ganz vorbei. Doch es gibt auch da noch eine Steigerung. Die Erhebung von Daten und die Festlegung der Wirklichkeit ausschließlich auf der Basis von Daten ist noch geistloser. Das ist totes Wissen.  Die Summe des Wissens wird mit der Wirklichkeit verwechselt. Weisheit ist demütiger. Sie weiß, dass die Wirklichkeit viel umfassender, weiter und tiefer ist.

In der arroganten Welt der „Wissenden“ ist das Eigentliche längst auf der Strecke geblieben. Am Ende kann ich mein Wissen sogar anonymisieren und schaffe meine Fähigkeit zur Empathie ab. Damit lässt es sich leichter leben, sagt der Klugscheißer. Die Weisheit allein bemerkt dazu schlicht: Das ist kein Leben!

Leider ist der Prozess schleichend und der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Doch langsam wird klar, dass der Mensch sich als mehrdimensionales Abbild Gottes abschafft und seine Seele verkauft. Da wünsche ich mir die Weisheit zurück und unterziehe mich der Mühe einer Lebenspraxis auf der Basis der Liebe. 

Als in Deutschland 1945 alle Werte untergegangen waren und die Verwirrung so groß war, dass die Rechte nicht mehr wissen wollte was die Linke tat, begann eine Besinnung auf das Wesentliche. Im Artikel 131 der bayrischen Verfassung, die 1949 in Kraft trat, lesen wir:

Art. 131

(1) Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.

(2) Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewußtsein für Natur und Umwelt.

Was für wunderbar weise Sätze! Versuchen wir sie zu leben und gehen wir alle in die Schule der Weisheit.

 

Mit frohem Gruß Euer Mitpilger Volker                                                   Bild: Volker Krieger

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