“Zurück zu mir selbst”

Die drei ersten Sinne der Seele waren das Leerwerden, das Staunen und die Dankbarkeit. Der vierte Sinn der Seele ist die Reue. Sie klingt etwas altmodisch und verstaubt, ist aber jedem Menschen gut bekannt.

Es gibt Momente in meinem Leben, in denen ich nicht bei mir, sondern außer mir bin. Dann ist mein Handeln nicht im tiefsten Herzensgrund verankert und meine Worte sind lieblos. Aus diesem Tun und Reden füge ich anderen Wunden zu. Dann bin ich nicht ganz ich selbst und meine Mitmenschen werden die Opfer meiner Selbstentfremdung. Klar, dass ich mich in diesen Momenten selber nicht mag und nicht riechen kann.

So zu tun, als wäre nichts gewesen oder es wäre halb so schlimm, ist eine menschliche Option. Doch sie schenkt keinen Frieden. Reue deckt diesen Selbstbetrug auf und setzt eine heilende Reinigung in Gang.

Wenn ich wieder ruhig geworden bin und bei mir selber einkehre lässt mich die Reue spüren, dass ich nicht aus meiner  Lebensmitte heraus gehandelt habe. Ich habe mich selbst verraten und bin mir selbst verloren gegangen. Dann bereue ich meine Taten und Worte und spüre den Schmerz derer, die ich verletzt habe. Nicht selten könnte ich mir selbst eine reinhauen und würde nur zu gerne alles ungeschehen machen. Aber Selbstverdammung oder Selbstmitleid sind eitel und kreisen um das eigene Ego. Sie sind nicht konstruktiv.

Reue will zerstörte Brücken wieder aufbauen. Deshalb treibt sie mich an, Verantwortung für meine Lieblosigkeit zu übernehmen. Dann antworte ich auf den Aufschrei meines Nächsten mit dem Eingeständnis meiner Schuld. So lange ich mich zu drücken versuche, bin ich nicht mit mir im Reinen. Reue weiß das. Deshalb führt sie mich diesen Weg und hofft auf Versöhnung.

Sie ruft mich also zu mir selbst zurück und erinnert mich an mein tiefstes Wollen: Leben schenken und lieben. Damit wird Reue selbst zu einem Geschenk. Sie ist die ausgesprochene Einladung Gottes, nicht mehr im Trüben zu fischen, sondern aus der Quelle meines Herzens. So kann ich auch wieder aus Gott, meiner eigentlichen Lebensmitte, schöpfen. Mein tiefstes Wollen und Gottes Wille fallen in der Liebe in eins. Damit werden Dankbarkeit und Reue zu einem Geschwisterpaar. Beide vertiefen sich gegenseitig und befähigen zu einem intensiven Leben.

Manchmal kommt es mir vor als wäre die Reue wie ein Stachel, der mich wach und sensibel hält für meine Mitmenschen, mich selbst und Gott. Ohne sie würde ich Gefahr laufen rücksichtslos meinen Weg zu gehen. Und ich würde nicht einmal merken, dass dies gar nicht mein ureigener Weg ist.

Text: Volker Krieger                                                                                    Bild: Eva Krieger

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