„Halte Dein Innerstes frei!“

Ich möchte euch heute von Isabella erzählen. Im zarten Alter von 89 Jahren habe ich sie kennen gelernt. Geistig voll auf der Höhe, war ihr Körper durch ein bewegtes Leben doch müde geworden. Ein kleines Persönchen mit starkem Willen und wachen Augen, in deren Gegenwart ich oft Ruhe und Erholung erfahren habe.

Paula, eine ihrer drei Töchter, hatte die Pflege übernommen. Isabella war umgeben von Enkeln und Urenkeln die immer wieder in ihrem Zimmer vorbei schauten. Gerade durch ihre körperliche Schwäche war sie die Seele des Hauses. Hände, Füße und Arme waren andere.

Isabella war eine einfache und deshalb kluge Frau. Sie wusste um die Gegenwart und Allmacht Gottes und strahlte echten inneren Frieden aus.

Für mich war sie wie ein lebendiges Gasthaus, weil ihr Herz weit und offen war. Es gab in ihrem Innersten ein Zimmer, das sie immer frei hielt für Gott. Dadurch wurde wirkliche Begegnung möglich. In diesem Zimmer fand ich Klarheit und Ruhe. Es war ein heiliger Ort und Isabella war eine Meisterin im Zuhören.

Wenn ich zu Besuch kam hatte sie meistens ihren Rosenkranz in der Hand und schaute dann in Freude auf. Bei unseren Kommunionfeiern ist sie voll mitgegangen, auch wenn sie nicht viel gesagt hat und war überaus dankbar für eine kleine Ansprache. Nach dem Kommunionempfang breitete sich oft eine wunderbare Stille aus, die zu gegenseitiger Einkehr einlud.

Dass Gott uns Menschen gemeinsam in die Tiefen unseres Seins führt ist ein großes Geheimnis, das wir nur dankbar annehmen können. Hier war es deutlich spürbar, dass jeder von uns wirklich Kind Gottes ist. Die logische Folge Geschwister zu sein feierte im Herzen lebendige Auferstehung. Wir sind nicht Menschen die einfach ihre Wege kreuzen. Wir sind Brüder und Schwestern. Diese Tatsache war glasklar! Gott schafft durch das Beten diese Nähe, wenn wir unser Innerstes frei halten. Die Grenzen des Alters, der Erziehung, der Gottesbilder werden einfach übersprungen. Alle Formen der Gemeinschaft sind nur ein schwaches Abbild für die Gemeinschaft im Glauben. Der Glaube lässt uns die eigentlichen Schwestern und Brüder erkennen.

Isabella hat mich mit dieser Wahrheit immer wieder reich beschenkt: Halte dein Innerstes frei für Gott. Biete ihm deinen besten Platz im Herzen an. Dann ist Begegnung zwischen den Menschen möglich und wir erkennen in den anderen unsere Geschwister.

Wahrscheinlich hat Isabella gar nicht gewusst, was sie alles wusste und das hat sie so liebenswert gemacht.

Mit 96 Jahren ist sie eingekehrt bei Gott, der sein Innerstes frei gehalten hat für sie und all seine Kinder. Dort feiert sie nun Begegnung und schmunzelt bestimmt etwas beschämt über diese Zeilen.

Noch heute, nach über 20 Jahren, umhüllt sie mich mit ihrer sanften Gegenwart und ist mir zum Schutzengel geworden. Ich danke ihr von Herzen und versuche mein Innerstes frei zu halten für Gott.

Euer Mitpilger Volker                                                                                  Foto: Volker Krieger

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