“Sei einfach da!”

Unsere Vorfahren zogen bekanntlich als Nomaden über die Erde. Weil sie sich damit ihre Existenz erhielten, war dieses Umherziehen unmittelbar einsichtig und sinnvoll. Diese Lebensform stiftete eine enge Beziehung zwischen den Menschen und ihrer Umwelt. Man lebte direkt von dem, was um einen herum zu finden war. Sich als Teil des Ganzen zu erleben war Alltag. Dort, wo die Natur den Menschen Leben ermöglichte, war auch gleichzeitig deren Zuhause. Waren die Ressourcen erschöpft, zogen die Menschen weiter. Lebensraum und Zuhause waren damit identisch. Ich glaube, dass aus diesem Sinnzusammenhang dem Menschen ein kontemplativer Grundwasserspiegel erwachsen ist, der ihn getragen hat. Da wo er war, war er zuhause.

Inzwischen sind wir sesshaft geworden, und sind doch wieder Nomaden. Der moderne Mensch ist ständig unterwegs. Er hat zwar ein Haus gebaut, ist aber nicht mehr zuhause. Manchmal habe ich den Eindruck wir sind zu Termin-Nomaden geworden, die sich vor allem getrieben fühlen. Unserem Unterwegssein droht der unmittelbare Sinn zu entgleiten, weil es nicht mehr direkt mit dem Leben in Zusammenhang steht. Darüber hinaus erschwert der Zeitmangel unsere  Beziehungsfähigkeit. Weil wir immer schon woanders sein müssen, sind wir immer seltener einfach da. Der Kopf ist nicht dort, wo unser Körper ist. Entweder hinkt der Kopf hinterher, weil er noch beim vergangenen Termin festhängt, oder er eilt ihm voraus, weil er schon mitten in der Planung für den nächsten ist. Das Herz hat die undankbare Aufgabe, sie beieinander zu halten und wird darüber manchmal müde, oft auch krank. Dann erlebe ich Menschen innerlich zerrissen und mit sich selbst kaum in Beziehung.  Sie sind nicht da, nicht bei sich, sondern außer sich und immer woanders. Erst wenn Körper und Kopf wieder zusammenfinden spüren sie, wie es ihnen geht, weil sie die Regungen ihres Herzens vernehmen. Oft ist es Schmerz, ein Aufschrei der Seele. Jetzt erst ist Leben wieder möglich. Vorher haben sie nur noch funktioniert und sich in ihrer Haut nicht mehr wohl gefühlt.

Biblisch ist unser Unterwegssein eine Pilgerreise.  Auf ihr sollen wir werden, wer wir von Gott her immer schon sind: seine Kinder. Um unserer tiefsten Identität gewahr zu werden sind wir herausgefordert, mit uns, unseren Mitmenschen, der Schöpfung und dem Schöpfer in Beziehung zu treten, denn alles Leben ist Begegnung. Damit wir mit dem nötigen Urvertrauen diese Pilgerreise wagen können, hat sich unser Gott – Jahwe - als der offenbart, der immer da ist.

Die Urlaubs - und Reisezeit, die jetzt begonnen hat, ist eine Unterbrechung des Alltags. Oft behalten wir aber die alten Muster bei. Dann erleben wir Urlaubs- und Freizeitstress. Gehen wir lieber bei Gott in die Schule , um zu lernen in unserem Unterwegssein wirklich da zu sein. Wir können auf ein Programm verzichten und aus dem Hamsterrad aussteigen. In dieser Unterbrechung öffnet sich ein weiter Raum: das Leben in seiner ursprünglichen Heiligkeit. Dort finden wir Kraft und Sinn, uns selbst und Gott. Sei einfach da. Er wird da sein, und du wirst zuhause sein.

Mit frohem Gruß

Euer Mitpilger Volker                                                                    Foto: Volker Krieger 

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